Hier die Haushaltsrede unseres stellv. Fraktionsvorsitzenden Mark Bonitz:
Rede zum Doppelhaushalt 2022/23
Wegberg, den 18.10.2022
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
der Doppelhaushaltsentwurf 2022/2023 sieht vor, dass wir das Haushaltssicherungskonzept vorzeitig verlassen wollen. Möglich wurde das dadurch, dass wir in den letzten Jahren kontinuierlich mit positiven Jahresabschlüssen die Ausgleichsrücklage füllen konnten und somit, Stand heute, bis 2026 mit ausgeglichenen Haushalten planen können.
Ob die Entscheidung, das HSK (Haushaltssicherungskonzept) vorzeitig zu verlassen, gerade jetzt in der schwierigen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage ratsam ist, werden wir wahrscheinlich erst in der Zukunft erfahren. Aber wie sagt man so schön, „hinterher ist man immer schlauer“.
Ausgeschlossen ist leider nicht, dass wir im Laufe des nächsten Jahres über einen Nachtragshaushalt entscheiden müssen, weil sich die Situation für die Stadt deutlich verschlechtert hat und die Zahlen es verlangen. Aber auch das muss noch nicht die automatische Rückkehr ins Haushaltssicherungskonzept bedeuten. Getreu dem Motto, „Wer Chancen nutzen will, muss die Risiken kennen“, sind wir der Meinung, dass es richtig ist, die Gefahren offen anzusprechen, sie nicht zu verschleiern, aber sich auch nicht durch sie entmutigen zu lassen. Wir sind davon überzeugt, dass die Vorteile, das HSK zu verlassen, überwiegen. Wir sollten den Schritt wagen.
Die positiven Ergebnisse der letzten Jahre zeigen auf der einen Seite, dass die Planung des städtischen Haushaltes oftmals leider von der Realität abweicht, auf der anderen Seite aber auch, dass wichtige Investitionen und Instandhaltungen nicht in dem Maße umgesetzt wurden, wie Wegberg es benötigt hätte. Hier müssen wir gemeinsam mit Rat und Verwaltung intensiver daran arbeiten, sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung der gesteckten Investitionsziele.
Ein weiteres Risiko liegt in Ertrags- und Aufwandspositionen, wie zum Beispiel der Gewerbesteuer oder der Kreisumlage, die kaum planbar sind. Ganz konkret: wie alles am seidenen Faden hängt, mussten wir durch die jüngste Verkündung der Schlüsselzuweisungen für 2023 aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2023 erfahren, wonach der Haushalt im Vergleich zu den Vorjahren voraussichtlich einen Minderertrag von rund 1,1 Millionen EURO und somit in der Fortschreibung auch für die Folgejahre vorsieht. Diesen Minderertrag müssen wir nun wieder an anderer Stelle kompensieren.
Dazu kommt, dass wir durch die aufgrund des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine verursachte Energiekrise geradewegs in eine Rezession laufen, die sich auf die Steuerkraft unserer Wirtschaft negativ auswirken dürfte. Und die damit einhergehenden steigenden Energiekosten, Lieferkettenproblemen und Baupreisexplosionen werden den Haushalt der Stadt Wegberg zusätzlich belasten.
Gerade hier sehen wir auch eine Chance darin, das Haushaltssicherungskonzept zu verlassen. Denn so bekommen wir als Rat und Verwaltung das Heft des Handelns zurück, um selbständig mit intelligenten und wohlbedachten Maßnahmen den Weg durch die Krisen dieser Zeit zu finden. Es war ohnehin klar, dass wir trotz Verlassens des HSK die Konsolidierungsmaßnahmen der Vergangenheit nicht aufgeben dürfen. Wir müssen weiter am eingeschlagenen Weg festhalten. Nur müssen wir uns jetzt noch besser überlegen, wofür wir die Gelder in Wegberg ausgeben wollen, denn das Budget für Investitionen wird immer knapper.
Um die Herausforderung der Zeit mit der Energiemangellage und der galoppierenden Inflation zu meistern, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Rat und Verwaltung. Gemeinsame Anstrengungen kann man aber nur dann erzielen, wenn man sich gegenseitig Respekt und Vertrauen entgegenbringt. Und hier, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben wir unsere Zweifel, ob dies seitens des Rates gelingen wird. Ständig werden aus Reihen des Rates Bedenken an der Leistungsfähigkeit der Verwaltung gehegt oder fachliche Expertise abgesprochen. Hier braucht es einen Neuanfang.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource in der Verwaltung und damit sollten wir entsprechend umgehen. Dazu gehört auch, die Arbeitsbelastung gesundheitsverträglich zu steuern und die Arbeit angemessen zu bezahlen. Mit Arbeitsüberfrachtung und schlechter Bezahlung motiviert man keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Gegenteil, man gefährdet die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Verwaltung, bewirkt also genau das Gegenteil, was man gerne bewirken möchte.
Ebenso finden wir es wichtig, gerade in Zeiten des zunehmenden Mangels an Fachkräften, darauf zu achten, die jüngere Generation in der Verwaltung nicht zu verlieren, sondern Perspektiven aufzuzeigen, sich auch in unserer Verwaltung entwickeln zu können. Daher können wir nicht nachvollziehen, dass die CDU mit Ihrem Antrag vom 30.09.2022 die freiwerdende Stelle zur Fachbereichsleitung zentrale Verwaltungssteuerung auch extern ausschreiben will. So schafft man eine unnötige Konkurrenzsituation und verbaut eigenen Talenten aus der Verwaltung die Chancen.
Die SPD Wegberg ist davon überzeugt, dass die Verantwortlichen in der Verwaltung genau, auch finanziell, einschätzen können, ob eine Stelle neu geschaffen werden muss oder lediglich intern umbesetzt werden kann.
Wir finden es auch unredlich, dass, obwohl selbst die GPA schon mehrfach bestätigt hat, die Verwaltung am untersten Level der notwendigen Personalquote kratzt, bei Beantragung neuer Stellen mantraartig auf „Reduzierung des Personalaufwandes“ gepocht wird. Auch die Äußerung im Personalausschuss, dass Personalreduzierung die einfachste Lösung wäre, Kosten zu sparen, ist nicht nur beschämend, sondern auch wenig nachhaltig.
Auch dieses ständige Bürgermeister-Bashing, vornehmlich von der CDU und ihrem Fraktionsvorsitzenden, ist wenig hilfreich und oftmals reine Polemik. Man sollte lieber die Kraft in eine konstruktive Zusammenarbeit von Rat und Verwaltung stecken.
Aber ich möchte wieder zurück auf die Herausforderung kommen, die knappen finanziellen Ressourcen nachhaltig und zweckdienlich einzusetzen. Wie bereits gesagt, benötigen wir dafür gut durchdachte Maßnahmen und Investitionen. Dafür brauchen wir klare Zielvorstellungen.
Hier haben sich bereits Rat und Verwaltung in einem konstruktiven Beteiligungsprozess auf den Weg gemacht und in fünf Klausurtagungen Ziele und Maßnahmen für die Bereiche „Allgemeine Haushaltspolitik, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Schule und Kinderbetreuung sowie Tourismus und Wohnen“ definiert. Damit darf der Prozess aber nicht beendet sein, wir müssen die Ziele messbar machen. Dafür müssen wir die Ziele, auch unter dem Einfluss der geänderten wirtschaftlichen und geopolitischen Lage, neu bewerten und mit weiteren Unterzielen belegen, die klare Aussagen in Euro oder Quoten haben sollten. Zum Beispiel könnte man für die Instandhaltung von Rad- und Gehwegen einen bestimmten Euro-Wert pro Einwohner und Jahr festlegen. Mittelfristig sollten wir uns das Ziel stecken, wie schon andere Kommunen in der Region erfolgreich umgesetzt haben, die Zertifizierung als „fahrradfreundliche Stadt“ zu erlangen. Sicherlich ambitioniert, aber machbar, wenn der Wille da ist. Dafür ist es jedoch wichtig das Radwegekonzept so schnell wie möglich zu evaluieren.
Aufgrund der Energie- und Baupreissteigerungen sowie der steigenden Kreditzinsen bekommt das Thema bezahlbarer Wohnraum eine noch stärkere Bedeutung. Auch hier müssen wir als Kommune dazu beitragen, dass wir mit bezahlbaren Wohnungen und Baugrundstücken das Wohnen in Wegberg selbst Durchschnittsbürgern weiterhin ermöglichen. Dafür sind bei den neu zu planenden Baugebieten und Quartieren unserer Meinung nach größere Anteile an Sozialwohnungen einzuplanen.
Wenn die Energiemangellage uns eins gezeigt hat, dann dass wir noch schneller unabhängig von fossilen Energiequellen werden müssen. Eine Verlagerung der Abhängigkeit von anderen Energielieferanten anderer Staaten, ist auch nicht nachhaltig und sollte nur zur Überbrückung der Energiekrise dienen. Zudem ist der Klimawandel durch Corona und Ukrainekrieg nicht gestoppt worden, sondern schreitet immer weiter voran und uns läuft die Zeit davon. Da dürfen wir als Kommune nicht auf Bund und Land warten, sondern müssen selbst aktiver werden. Wir begrüßen daher das Umsetzungskonzept der Verwaltung zu Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden und Flächen, aber hiermit dürfen wir uns nicht zufriedengeben. Durch klare Vorgaben in den Bebauungsplänen müssen seitens der Politik die Weichen für energieeffiziente und klimaresiliente Wohnquartiere gestellt werden. Zudem müssen wir versuchen über Beteiligungsmodelle, wie zum Beispiel Energiegenossenschaften, die Akzeptanz von regenerativen Energien in der Bevölkerung zu steigern und gleichzeitig die lokale Wertschöpfung für Bürgerschaft, Wirtschaft sowie der Stadt aus den regenerativen Energien ermöglichen.
Wir sollten den zeitlichen Raum, den wir durch die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2022/23 erzielen, gemeinsam nutzen, um inhaltliche Akzente für die Zukunft in den oben genannten Themenfeldern zu gewinnen.
An dieser Stelle möchten wir uns bei der Kämmerin Sonja Kühlen sowie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Finanzwirtschaft, stellvertretend Frau Vieth, bedanken, die trotz der vielen Unwägbarkeiten den Weg, das HSK zu verlassen, mit Erstellung des Doppelhaushaltes 2022/2023 und den Planansätzen bis 2026 ermöglicht haben.
Die SPD-Wegberg ist sich der Risiken durchaus bewusst, stellt sich aber der Verantwortung, die Chancen zu nutzten, damit Wegberg zukunftsfähig und lebenswert bleibt.
Wir stimmen dem Doppelhaushalt 2022/2023 zu.
gez. Mark Bonitz
Stellv. Fraktionsvorsitzender